Nach dem Bewerbungsgespräch stand für mich fest, dass ich am liebsten nach Estland wollte. Die Beschreibung der Stelle hat mir sofort gefallen. Die Arbeit in der Naturschule klang abwechslungsreich und die Fotos von der Natur waren toll. Außerdem wirkten die beiden aktuellen FÖJ'lerinnen sehr zufrieden. Parallel habe ich mich aber auch für Litauen und Polen beworben. Zum Glück kam nach fünf Wochen die Zusage für Estland.
Um mich vorzubereiten, habe ich im Internet recherchiert und einige Reiseführer gelesen. Ich hatte auch die Möglichkeit, meine Vorgängerinnen zu kontaktieren und sie mit Fragen zu löchern. Das empfehle ich, denn persönliche Tipps sind immer besser als generelle Hinweise aus dem Internet. Von der Organisation habe ich ein FÖJ-ABC bekommen, in dem die meisten Fragen zum Ablauf sehr gut erklärt waren.
Ausreiseseminar bereitet aufs Ausland vor
Die ersten zwei Seminare fanden drei Wochen nach dem Beginn des FÖJ in Deutschland statt. Da wir erst nach dem Besuch der Seminare ausreisen dürfen, habe ich die ersten Wochen in einem Naturerlebniszentrum in Kiel gearbeitet. Ich fand es interessant so auch in eine andere Stelle schnuppern zu können.
Im fünftägigen Ausreiseseminar haben wir über mögliche Probleme, unterschiedliche Kulturen und Projektideen gesprochen. Und wir haben wir einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht. Danach war ich fünf Tage beim Einführungsseminar für alle Freiwilligen des Trägers. Wir haben Kennenlernspiele gespielt, Tipps für Projekte oder Aktionen bekommen und viel Organisatorisches geklärt. In Workshops konnten wir uns in Fotografie, kreativem Schreiben, Musik oder Theater zu Umwelt-Themen ausprobieren. Ich war im Workshop Musik und wir haben in einer Gruppe ein Stück komponiert, was wir am Abschlussabend aufgeführt haben. Insgesamt waren wir etwa 160 Freiwillige. Die meiste Zeit haben wir aber in kleinen Gruppen verbracht.
Praktische Tipps von der Chefin vor Ort
Nach dem Seminar fuhr ich mit einer anderen Freiwilligen mit dem Bus nach Estland. Dagmar Hoder, die Chefin des Projekts, hat uns abgeholt. In den nächsten Tagen hat sie uns die Einsatzstelle in Tipu gezeigt, einen Tag später die nächste größere Stadt Viljandi, wo wir einkaufen gehen können und Sprachunterricht haben. Sie hat uns Tipps gegeben, welche Ausflugsziele sich lohnen, wie man mit Holz heizt und sie war mit uns bei der Bank, wo wir ein Konto eröffnet haben.
Ich lebe mit einer anderen FÖJ'lerin in einer schönen Wohnung am Rand des Nationalparks. Der kleine Ort besteht aus drei Wohnhäusern und zwei Schuppen, rundherum ist Wald. Der nächste Ort ist acht Kilometer entfernt, unsere Arbeitsstelle sieben Kilometer. Die Wohnung wird immer von den deutschen Freiwilligen bewohnt, ist komplett eingerichtet und günstig.
Viel Raum für eigene Ideen
Ich arbeite zusammen mit einer weiteren FÖJ'lerin im Soomaa Nationalpark in Estland in der Tipu Naturschule. Das ist eine Umweltbildungseinrichtung für Kindergruppen und Schulklassen. Da sich die Naturschule noch im Aufbau befindet, gibt es jede Menge Raum für eigene Ideen. Wir bauen Nistkästen, schreiben Infotexte, bereiten Material für die Schulgruppen vor, die uns besuchen und legen einen Garten an.
Unsere Chefin und Mentorin ist eine Deutsche, die vor 13 Jahren selbst ein FÖJ hier im Nationalpark gemacht hat. Sie hilft uns bei allen Problemen. Als ich einmal mit dem Auto liegengeblieben bin, kam sie sofort und hat mich in die Werkstatt geschleppt. Auch mit unserer Sprachlehrerin Maire Unt verstehe ich mich gut. Sie ist eine nette ältere Dame, die uns viel erklärt und immer ihre Hilfe anbietet. Als ich zum Beispiel erwähnt habe, dass ich zum Friseur will, haben wir alle wichtigen Vokabeln dafür aufgeschrieben.
Freiwillige drehen Kurzfilme über Öko-Themen
Für unsere drei Zwischenseminare fahren wir nach Deutschland. Bei jedem Seminar ernähren wir uns biologisch und diskutieren einen Schwerpunkt. Im Oktober haben wir über Naturparks und Schutzgebiete gesprochen und verschiedene Landschaftsformen wie Magerwiesen besucht. Im Februar war unser Thema Landwirtschaft und Ernährung. Wir haben einen Bio-Bauernhof und einen konventionellen Bauernhof besucht, eine Umfrage zum Thema Gentechnik gemacht und Kurzfilme über Landwirtschaftsformen gedreht.
Im April beschäftigten wir uns mit Mobilität und Biodiversität. Wir segelten eine Woche lang auf einem Traditionssegler von Stralsund nach Kappeln. Unterwegs lernten wir Nützliches über Segeln und Knotenkunde und beschäftigen uns mit den Themen Artenvielfalt in der Ostsee und Umweltverschmutzung.
Im Freiwilligendienst viel über die Natur gelernt
Unser letztes Seminar wird Anfang Juli auf Sylt stattfinden. Dort treffen wir uns wieder mit allen ökologischen Freiwilligen des Trägers. Wir werden zelten und uns austauschen. Danach fahre ich nochmal in die Einsatzstelle. Mein FÖJ endet dann mit einem letzten Reflexionsseminar in Deutschland.
Bisher habe ich in meinem Freiwilligendienst nicht nur viel über die Natur gelernt, sondern auch ganz praktische Dinge. Ich kann jetzt mit Kreis- oder Stichsägen umgehen und Reifen wechseln, Nistkästen bauen und Bücher binden. Ich glaube, ein Auslandsaufenthalt bringt einen auch persönlich weiter. Ich bin auf jeden Fall selbstständiger und selbstbewusster geworden.
Protokoll: Katrin Langhans